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Baby sucht Papa

Baby Alma, vier Wochen alt (Foto: Heinz S. Tesarek)

Baby Alma, vier Wochen alt (Foto: Heinz S. Tesarek)

Auf der Flucht vor dem Krieg schaffte es eine hochschwangere Syrerin nach Österreich. in Linz brachte die tapfere Frau vor vier Wochen Töchterchen Alma zur Welt. Das Baby hat seinen Vater und seine Schwester noch nie gesehen. Sie sind in einem Flüchtlingsheim auf Kreta gestrandet.

Es ist ein friedlicher Augenblick: Die keine Alma schläft in ihrem Babybettchen. Ein orangefarber Teddybär wacht neben ihr. Im Schlaf blubbert das Mädchen mit den schwarzen Haaren leise vor sich hin. Seine winzigen Hände hat es zu losen Fäusten geballt und wirbelt damit hin und her. Alma träumt.

Ein Abschied, eine Trennung, eine Geburt.

Alma, das ist der Beginn eines neuen Le-bens. Geboren am 8. September in Linz. Dass das Mädchen überhaupt zur Welt kam, gleicht einem Wunder. Nach all dem, was zuvor geschah. Die Eltern stammen aus Syrien. Einem Land, das nur noch für Chaos, Krieg und millionenfaches Leid steht. Was dort als Aufstand gegen den Diktator Baschar al-Assad begann, ist zur größten Tragödie der Gegenwart geworden. Mitten darin: Zahra, ihr Mann und die zwölf Jahre alten Tochter. Gemeinsam fliehen sie vor dem Grauen. Müssen sich trennen. Während der Vater und die Tochter in Griechenland stranden, schafft sie es allein und hochschwanger bis nach Linz.

Neun Millionen Menschen auf der Flucht.

Dies ist eine Geschichte der Flucht, der Verzweiflung, der Ausweglosigkeit, aber auch der Hoffnung und der Liebe. Zwei NEWS- Reporter und ein Fotograf haben sie nach-gezeichnet, bei der Mutter und dem Neugeborenen in Oberösterreich ebenso wie beim Vater und der Schwester auf Kreta. Eine zerrissene Familie, getrennt durch den Krieg und die Wirrnisse europäischer Flüchtlingspolitik. Mehr als neun Millionen Syrer sind auf der Flucht – vor Assad, vor den Schlächtern des Islamischen Staates (IS), vor all dem, was den Nahen Osten in den Abgrund treibt und Europa vor ungeahnte Herausforderungen stellt. Es ist ein nicht enden wollender Treck der Leidenden, von dem es gerade einmal 140.000 bis nach Europa schafften. Männer, Frauen, Kinder, Babys.

„Endlich in Sicherheit.“

Die 35-jährige Zahra aus Damaskus war eine von ihnen. Wir treffen sie in ihrem kleinen Zimmer im obersten Stockwerk der Flüchtlingsunterkunft in Linz. Die Tür steht einen Spalt offen, und der Maggi-Duft aus der gegenüberliegenden Gemeinschaftsküche zieht herein. Aus dem Stock-werk darunter tönt leise arabische Musik. Zahra hat ihr Baby aus dem Bettchen ge-nommen und drückt es fest an sich. Sie hat Tränen in den Augen. Nicht vor Freude. Die kleine Alma mit der süßen Stupsnase erinnert die Mutter so sehr an ihre ältere Tochter Alisar. Doch die hat sie schon seit über einem halben Jahr nicht mehr in die Arme schließen können.

Ammar und Tochter Alisar auf Kreta (Foto: Heinz S. Tesarek)

Ammar und Tochter Alisar auf Kreta (Foto: Heinz S. Tesarek)

„Wir telefonieren täglich über das Internet. Ich versuche, ihr Mut zu machen. Ich sage ihr, dass sie durchhalten soll, aber sie weint manchmal durchgehend und ich kann sie kaum beruhigen.“ In dem Mehrfamilien-haus mitten in der Linzer Innenstadt wohnen 33 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und Somalia. Sie alle sind in ihrer Heimat durch die Hölle gegangen und helfen einander nun beim Anfang in einer neuen Welt.

Hier zu sein, ist für Zahra die Erfüllung eines Traums und Teil eines Albtraums zugleich. „Ich habe mich selten so sicher gefühlt wie in Österreich, aber auch noch nie zuvor so einsam.“

Zahra und ihr Baby haben als einzige in dem Haus ein eigenes Zimmer. Ein Privileg, weil der Säugling Ruhe braucht. Das Handy stellt Zahra trotzdem nie auf lautlos. Es kann immer sein, dass ihr Ehemann aus Kreta anruft oder die große Tochter kurz Mamas Stimme hören muss, um zumindest einschlafen zu können.

Die kleine Pension am Meer.

Alisar und Papa Ammar sind an einem Ort, der auf uns wie ein griechisches Idyll wirkt. Eine einfache Pension am Rande der Stadt Chania, im Westen von Kreta. Gleich gegen-über der Strand, dahinter kleine Tavernen mit Tischen auf der Straße. Sie sind seit März hier. Haben Urlauber kommen und gehen gesehen, Touristen lachen und scherzen gehört, selbst aber bald bemerkt, dass sie in einer fatalen Sackgasse stecken.

Sie sind gefangen in einem Raum, vier Meter lang und drei Meter breit. Yannis, dem Quartiergeber, sagten die griechischen Behörden, ein paar Hundert Flüchtlinge würden bloß ein paar Tage bleiben. Doch es wurden Wochen, Monate, ein halbes Jahr verging – und er bekam keinen einzigen Cent für deren Versorgung. Auch wenn es ihm das Herz brach, musste er ihnen irgendwann das warme Wasser abdrehen und aufhören, sie zu verpflegen. „Es sind arme Teufel“, sagt Yannis, „aber der griechische Staat hat mich gelinkt, keiner ist zuständig, keiner bezahlt mich, ich verliere Hunderttausende Euro.“

Ammar und Alisar, sie sind gestrandet wie Treibgut, mit dem keiner etwas anzufangen weiß. Anfangs, im März, schien alles noch wie ein kurzes Kapitel in einer langen Erzählung. Es gab zu essen, zu trinken und einen Vater, der seiner Tochter versichern konnte, dass alles gut werden würde, auch wenn es ganz anders geplant war. Aber dann kamen mit dem Sommer auch der Hunger, die Angst, die Hoffnungslosigkeit.

„Wir lauschen den Stimmen der Gäste von unten“, sagt Ammar, „versuchen zu erraten, ob sie Deutsch sprechen, so wie bei Zahra in Linz.“ Als er die Bilder seines Babys sieht, die wir mitgebracht haben, versagt seine Stimme. Er sitzt auf dem Bett, starrt darauf, streicht Alisar durchs Haar und drückt sie fest an sich. „Das ist deine kleine Schwester, sie ist so wunderschön wie deine Mutter und du. Bald werden wir wieder alle zusammen sein.“

Alisar ist zwölf, sie hat diesen Satz zu oft gehört, als dass er noch ein Lachen in ihr Gesicht zaubern könnte. Doch sie weiß auch, dass sie weiter daran glauben muss, da dem Vater und ihr nichts von ihrem früheren Leben geblieben ist – nur die Hoffnung, in diesem Land namens Österreich ein neues beginnen zu können.

Abend für Abend verlässt Ammar die Pension. Er geht zügig ins Zentrum Chanias, vorbei an den Touristen, die die Pracht der Stadt bewundern. Reiht sich ein in eine Schlange, die sich vor einem kleinen Fenster bildet. Durch dieses werden Plastikkübel gereicht, in denen sich mal etwas Reis oder an besseren Tagen Spaghetti befinden. Es ist die Obdachlosenausspeisung der Stadt, die das Überleben von Vater und Tochter sichert. Ammar will nicht, dass Alisar ihn begleitet. Ihn sieht, wie er Almosen empfängt. „Es ist schwer für sie, zu verstehen, dass uns nichts geblieben ist“, sagt er, „früher, in Damaskus, hatten wir zwei Autos, zwei Appartements, sie ihren eigenen Laptop, ein Handy, einfach alles.“

Die Geschichte einer syrischen Liebe.

Die Geschichte seiner Ehe mit Zahra entspricht keinem einzigen arabischen Klischee, erzählt dafür aber umso mehr von Assads Syrien vor dem Krieg. Sie begann vor 13 Jahren, als Zahra einen Job als Verkäuferin in einem Kleidungsgeschäft annahm. Ammar war dort Manager. Eine kurze Begrüßung, ein flüchtiges Lächeln, und bald kamen sie sich näher. Doch Ammar ist Sunnit, Zahra Alawitin. Die Kluft der beiden islamischen Glaubensrichtungen ist groß. Im Osmanischen Reich hatten Sunniten die Alawiten als Ungläubige verfolgt. Die Assads, selbst Alawiten, kehrten die Verhältnisse später um und machten die Minderheit, der bloß zehn Prozent aller Syrer angehörten, zu Allmächtigen. „Zahra stammt aus einer einflussreichen Familie, entsprechend verwundert waren ihre Eltern, dass sie einen Sunniten wie mich heiraten wollte“, sagt Ammar, „aber letztlich zählte der Mensch damals noch mehr als der Glaube, ihre Eltern lernten mich kennen und akzeptieren mich.“ Es schien, als habe ihre Liebe gesiegt. Die Kleinfamilie kaufte sich ein Appartement am Stadtrand von Damaskus. „Es war eine Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Sie lag gleich im Erdgeschoß und hatte einen kleinen, herrlichen Garten. Ich habe Jasmin angepflanzt. Der Duft erinnert mich an eine glückliche Zeit.“ Heute liegt die Wohnung in Trümmern, die Blumen wachsen längst nicht mehr.

Beruflich hatte sich Ammar damals verändert. Vom Kaufhausmanager zum IT-Spezialisten. Er arbeitete jetzt für eine Firma, die ihn mehrmals im Jahr nach Dubai schickte. Er blieb aber nie länger als drei Monate weg. manchmal konnte er Zahra und Alisar sogar mitnehmen. Die beiden genossen dann einen Urlaub am Meer, während er in der Firma war. Ammar verdiente gut und Zahra hätte nicht arbeiten müssen. Aber sie wollte. Jeden Tag fuhr sie 30 Minuten mit ihrem Auto ins Zentrum von Damaskus zu einem Schönheitssalon. Dort schminkte sie reiche Damen. Zahra: „Ich mochte diesen Beruf, man konnte viel Geld damit verdienen.“ Auch Alisar entwickelte sich. „Ihr Lieblingsfach war die Poesie. Sie schrieb Gedichte und gewann Preise.“

Als der Krieg alles zunichte machte.

Doch dann kam der Krieg und zerstörte alles, was sich die Familie aufgebaut hatte. Anfangs tauchten die Bilder der Gewalt nur abends in den Nachrichten auf. Bald aber war selbst Damaskus von zuvor unsichtbaren Trennlinien durchzogen. „Unser Block entwickelte sich zu einem Geisterviertel“, sagt Zahra, „viele versteckten sich in ihren Häusern, kamen nicht mehr raus oder zogen ganz weg. Auf dem Weg zur Arbeit musste ich an zerstörten Autos und Trüm- mern vorbei. Kurze Zeit später wurde mein Cousin auf offener Straße erschossen“, erzählt sie. Zahra weiß bis heute nicht, ob ihn Assads Armee oder die Aufständischen umgebracht haben.

Mutter Zahra und Baby Alma in Linz (Foto: Heinz S. Tesarek)

Mutter Zahra und Baby Alma in Linz (Foto: Heinz S. Tesarek)

Im Dezember 2012 sei ihr Viertel schließlich von beiden Gruppen eingekesselt gewesen. Eines Nachmittags explodierte eine Autobombe direkt vor der Haustür. Alisar war gerade von der Schule gekommen. Sie hätte tot sein können. Aber sie überlebte. Unverletzt. „An diesem Tag fiel unsere Entscheidung, zu flüchten“, so Zahra. Nur mit dem Nötigsten zog die Kleinfamilie zunächst zu Ammars Eltern in ein anderes Viertel. Zwei Monate lang lebte sie auf engstem Raum mit acht Verwandten.

Bereits Anfang 2013 die nächste Etappe ihrer Flucht. Jetzt fielen nicht nur auf der Straße Schüsse, sondern die Kugeln durchschlugen Fensterscheiben, trafen Polster oder Sessel im Wohnzimmer. Lebensgefahr. Ammar beschloss, nach Dubai zu reisen. Er wollte dort eine Arbeitserlaubnis organisieren, eine Wohnung mieten und seine Familie nachholen. Zahra zog mit Alisar in der Zwischenzeit zu ihrer Familie. „Bei meinen Schwiegereltern war ich nicht mehr willkommen. Plötzlich war mein Glaube wieder Thema und sie wollten sogar die Scheidung von meinem Mann erzwingen.“ Grund: Der Krieg der Religionen spaltete auch diese Familie. Zahra hätte sich für Sicherheit und gegen ihren Mann entscheiden können, da der Onkel, selbst einflussreicher Militär in Assads Armee, anbot, sie und Alisar zu schützen. Aber ein Leben ohne Ammar? Unvorstellbar. Die Liebe war weit stärker.

Dafür scheiterte der Plan, nach Dubai zu ziehen. „In den Golfemiraten ist man nur als Arbeitskraft gern gesehen“, sagt Ammar bitter, „aber arabische Solidarität? Fehlanzeige. Lieber finanzieren die Scheichs die Terroristen und den IS, als uns Syrer aufzunehmen.“

„Die Männer, sie waren wie Tiere.“

Die Familie flüchtete stattdessen nach Kairo und bereute dies bald. Sie wurden beraubt, verloren all ihre Ersparnisse. „Hier war kein Krieg, aber sicher waren wir auch nicht“, sagt Zahra, die einen Job als Visagistin fand. Während der Arbeit wurde sie von ägyptischen Männern belästigt. „Sie fassten mich an, bedrohten und demütigten mich.“

Sexuelle Belästigung ist im Land am Nil bitterer Alltag. „Die Männer verhalten sich wie Tiere“, sagt Ammar, der so keine Zukunft für Frau und Tochter sah. „Das waren die Tage, als wir mit unserem Volk, den Arabern, brachen. Wir erkannten, dass wir nur in Europa so leben können, wie wir wollen.“

Doch Europa ist weit, der Weg dorthin so teuer wie gefährlich. Die Familie suchte Schlepper – und wurde, so unglaublich es klingt, via Google fündig. Vom ersten Kontakt bis zur Flucht vergingen zwei Monate. Zwei Monate, in denen das Schicksal zuschlug, Zahra merkte, dass sie schwanger war. „Zehn Jahre habe ich versucht, noch ein Baby zu bekommen, und es hat nicht geklappt. Ausgerechnet jetzt passierte es.“

Mit den Schleppern war bereits alles ausgemacht, die mühsam zusammengesparten 2.500 Dollar bezahlt, einen Weg zurück gab es nicht. Ammar wollte seiner schwangeren Frau die Fahrt übers Meer nicht antun. Er beschloss, die Flucht alleine mit seiner Tochter zu wagen. Er wollte es bis nach Österreich schaffen, Asyl beantragen und Zahra auf dem sicheren Weg nachholen. Am 22. März, mitten in der Nacht, kamen die Schlepper, um Ammar und Alisar abzuholen. Es war das letzte Mal, dass die Kleinfamilie zusammen war. Das letzte Mal, dass Zahra ihre Tochter in die Arme nahm. Das letzte Mal, dass sie ihren Mann küsste. In diesem Moment wusste keiner von ihnen, ob sie sich jemals wiedersehen würden. Die Reise ins Ungewisse begann.

Über das Meer der Leichen.

Ein rostiger Kahn, vollgepfercht mit über 400 Menschen. Wellen, vier Meter hoch, ein Sturm auf offener See. Wasser, das ins Boot eindringt. Panik, Schreie, Gebete. Es war der fünfte Tag auf dem Mittelmeer, als Ammar glaubte, es wäre sein letzter. „Ich habe Alisar an mich gedrückt und gebetet, dass es rasch vorbei sein möge.“ Seit Beginn dieses Jahres sind 2.500 Menschen beim Versuch, Europa zu erreichen, im Mittelmeer ertrunken. Die See ist in den vergangenen 15 Jahren zum Grab für 24.000 Flüchtlinge geworden. Und erst, als am Horizont die Umrisse eines Frachters im Sturm auftauchten, wusste Ammar, dass er und seine Tochter überleben würden.

Was folgte, war Griechenland, nicht Italien. Ein Staat, selbst knapp dem Kollaps entkommen, in dem Flüchtlinge als leidige Hausierer gelten. Nach Nächten in einer kalten Turnhalle bekommen Ammar und Alisar einen Zettel in die Hand gedrückt. Sechs Monate seien sie geduldet, steht darauf, das Land zu verlassen sei jedoch verboten. Wobei der Polizist, der ihnen den Bescheid überreicht, zwinkernd meint, gegen viel Geld ließe sich rasch eine Weiterfahrt organisieren. Doch Ammar hat kein Geld mehr, und er will auch nicht illegal nach Österreich reisen, um im schlimmsten Fall zu riskieren, für immer abgeschoben zu werden. Also landen sie in Yannis‘ Pension, lernen übers Internet Deutsch, prüfen einander Vokabel ab und warten.

Zahra wusste zu diesem Zeitpunkt längst, dass es nun an ihr lag, die Familie zu retten. Sie musste es bis nach Österreich schaffen, um Mann und Kind nachzuholen. Im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft, in einer lauen Mainacht, ging auch sie an Bord eines überfüllten Flüchtlingsbootes.

Kreta FlüchtlingeFür Zahra eine schlimme Zeit: „Acht Tage lang waren wir auf dem Meer, weil sich der Kapitän verfahren hatte. Mir war schlecht, schwindelig. Es hat nach Erbrochenem und Urin gestunken, und der Regen peitschte uns ins Gesicht.“ Als sie endlich Land erreichten, war die schwangere Frau kaum mehr ansprechbar. „Jemand hat mich von Bord getragen und direkt in einen Minibus gesetzt. Ich wusste nicht mal, in welchem Land wir waren.“ Nach zwei Tagen Fahrt war Zahra in Österreich, dem Ziel ihrer Träume. Ein Land, von dem sie nur Gutes gehört hatte. Für ein Leben dort hatte sie ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes riskiert. „Ich war so unglaublich erleichtert. Ich konnte kaum glauben, dass ich es tatsächlich geschafft hatte.“

Sie landete im Flüchtlingszentrum in Traiskirchen. Ihre erste Amtshandlung: Fingerabdrücke abgeben. Doch Zahra kam nur bis zum dritten Finger. Dann fiel sie in Ohnmacht. Der Krankenwagen brachte die Schwangere ins Spital, wo sie zum ersten Mal untersucht wurde. Die Diagnose: Schwangerschaftsdiabetes. „Sie sagten, es sei ein Wunder, dass mein Baby im Bauch noch lebt.“ Am 8. September, morgens um neun Uhr, erblickte die kleine Alma das Licht der Welt – 50 Zentimeter groß, 3.000 Gramm schwer, ein Bündel Hoffnung. Vier Wochen sind seither vergangen. Zahra und Alma haben Asyl in Österreich beantragt.

Ob und wann sie es erhalten, ist ebenso ungewiss wie der Zeitpunkt einer Familienzusammenführung, die rechtlich durch das Asylgesetz möglich wäre.

Ammar hat in seinem kleinen Zimmer auf Kreta die Fotos von Alma auf dem Nachtkästchen aufgereiht. Er betrachtet die winzigen Finger und Zehen seiner Tochter. Dann sagt er: „Du kannst alles im Leben neu aufbauen, ein Haus, eine Existenz, alles, nur eines nicht: deine Familie. Alisar braucht ihre Mama – und ich hoffe auch, dass die kleine Alma mit mir etwas anfangen kann.“

Erschienen in NEWS 41/2014 (gemeinsam mit Saskia Aberle verfasst)

Hier das Video zur Reportage und den zahlreichen Reaktionen darauf

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