DORIS SCHRÖDER-KÖPF, SPD-Politikerin und Frau des deutschen Altkanzlers über Kinder als Karrierefalle, rot-grüne Träume und den Hass der FPÖ.
Barbie im Kanzleramt – so verunglimpfte die „taz“, eine linke deutsche Tageszeitung, Doris Schröder-Köpf damals. Damals, das war zwischen 1998 und 2005, als ihr Mann Kanzler war und sie – die lange als Journalisten tätig gewesen ist – zuhause blieb.
Nun, acht Jahre später, ist alles anders. Doris Schröder- Köpf ist 50 und seit neun Monaten SPD-Landtagsabgeordnete in Niedersachsen. Ein später Poltikstart. Und daheim plötzlich der als „Super Macho“ verschrieene Ehemann, der sich um die Kinder kümmert?„Es funktioniert“, erzählt sie NEWS beim Interview in Hannover, holt ihr Handy hervor und zeigt ein SMS, in dem er schreibt, gerade die Kinder abgeholt zu haben.
Doris Schröder-Köpf kann beruhigt sein und nimmt sich die nächste Stunde Zeit, um über Kinder und Karriere zu sprechen. Den Weg der Frauen an die Spitze und männliche Strukturen, die dabei hinderlich sind. Nur bei Angela Merkel bleibt sie stumm und erläutert lieber, warum für SPD-Herausforderer Peer Steinbrück das Rennen noch nicht gelaufen ist. Und auch über österreichische Politik macht sich Schröder-Köpf so Ihre Gedanken..
NEWS: „Aber über meinen Mann werde ich nicht sprechen“, lautete Ihre Bedingung für dieses Interview. Wie oft passiert es Ihnen, auf „die Frau von…“ reduziert zu werden?
Zum Glück immer seltener. Klar, in Niedersachsen gibt es kaum Genossinnen und Genossen, die meinen Mann nicht kennen und das ist auch auch schön so. Nur: Politisch stehe ich für mich selbst!
NEWS: Haben Sie sich gesagt: „So lange mein Mann Kanzler war, musste ich zurückstecken, nun ist es an der Zeit, den Spieß umzudrehen?
So würde ich das nicht formulieren. Aber klar ist: In den Kanzlerjahren war es natürlich schwierig bis unmöglich, ein eigenes Leben zu führen. Meinem Beruf als Politikredakteurin konnte ich ja nicht mehr nachgehen.
NEWS: Danach hätten Sie aber auch sagen können, ich mache gar nichts mehr oder arbeite wieder als Journalistin. Warum trotzdem der Politikeinstieg?
Also, gar nichts mehr zu machen, geht gar nicht – das entspricht nicht meinem Naturell. Ich wollte auch nicht mehr Politik nur betrachten, sie analysieren, wie ich es als Journalistin tat. Ich wollte mit gestalten und, ja, auch verändern. Daher die Politik.
NEWS: Und dann traten Sie mit einem Kampfmandat gleich gegen eine Genossin an, die Jahrzehnte für die SPD aktiv war. Wie überzeugten Sie Menschen in der SPD von sich?
Anfangs gab es viel Skepsis. Ich komme ja ursprünglich aus Bayern und viele in der niedersächsischen SPD hatten mich nur als „Frau von Gerd“ kennen gelernt. Es war viel Überzeugungsarbeit nötig.
NEWS: Muss man als Frau fleißiger sein als ein Mann, um es am Ende gleich weit zu bringen?
Generell muss man als Frau sicherlich mehr Fleiß an den Tag legen.
NEWS: Warum ist das so?
Ja, wenn ich das wüsste! Ich denke, dass bei Frauen genauer hingesehen wird, Fehler oder Schwächen unbarmherziger beleuchtet werden. Männer gehen oft erstaunlich lässig über mangelnde Kenntnisse oder Fehler hinweg. Mein Mann jedenfalls amüsiert sich darüber, dass ich mich so pedantisch vorbereite.
NEWS: Hat er denn das nicht gemacht?
Er hat sich auf seinen sehr großen Erfahrungsschatz verlassen können. Ich fühle mich besser, wenn ich gewappnet bin. Wenn ich einen Patzer machen würde, gäbe es doch auf der anderen Seite des politischen Spektrums ziemlich Schadenfreude.
NEWS: Das heißt: Männer haben‘s einfacher?
Ja. Auch weil in Politik und Wirtschaft männlich geprägte Strukturen wirken. In der Partei beispielsweise trifft man sich abends, trinkt danach noch ein Bierchen. Das ist dann schon schwierig für die vielen alleinerziehenden und häufig auch berufstätigen Mütter. Wir haben kürzlich in einem Ortsverein diskutiert, ob wir nicht mal die üblichen Veranstaltungen auf Samstag Mittag legen, mit Kinderbetreuung und Essen.
NEWS: Gibt Ihnen Ihr Mann Tipps für die Politik?
Keine konkreten. In den zurückliegenden Jahren hat sich auch viel im politischen Bereich verändert: das Internet spielte zur Zeit des letzten Wahlkampfes meines Mannes bei weitem noch nicht diese große Rolle, soziale Netzwerke steckten noch in den Kinderschuhen. Seither hat sich das Tempo der politischen Kommunikation noch mal enorm beschleunigt.
NEWS: Sie haben zwei adop- tierte Kinder, der Sohn ist 7 Jahre alt, die Tochter 12. Wie schaffen Sie das?
Mein Mann und ich versuchen, uns die Aufgaben zu teilen. Ich glaube, dass es sehr hilfreich wäre, wenn möglichst viele Väter diese Erfahrung machen würden: dass es nämlich mit Kindern sehr anstrengend ist, aber auch wunderschön!
NEWS: Und die Arbeitsteilung klappt bei Ihnen?
Ja. Ich habe vorhin ein SMS bekommen: „Erstes Kind abgeholt, zweites eingesammelt. Beide an Bord.“ Das funktioniert.
NEWS: Nun sind Sie hier in Niedersachsen Migrationsbeauftrage, also gleich ein heikles Feld. Ich nehme an, Sie sehen das Thema anders als Ihr SPD- Parteikollege Thilo Sarrazin?
Ich persönlich finde, es ist eine Schande, dass er noch Parteimitglied sein kann. Allein die Diffamierung, die er in dem Wort „Kopftuch- mädchen“ ausdrückt, hat zu einer Zunahme der Diskriminierung geführt. Seine bizarre Weltsicht ist jenseits unserer Tradition und auch des Parteialltags.
NEWS: Aber woher kommt sein Erfolg? Sein Buch ist das meistgekaufte der Nachkriegszeit.
Das ist das Geschäftsmodell vom angeblichen „Tabubrecher“. Eine Person behauptet in der Öffentlichkeit, ein Tabu auszusprechen und kommt damit in jede Talkshow. Dabei gibt es in unseren Gesellschaften diese Tabus gar nicht mehr: jeder kann über alles sprechen und schreiben und sei es noch so unsinnig.
NEWS: Glauben Sie, dass dieses Geschäftsmodell des Tabubrechers, wie Sie es nennen, nun nicht mehr funktioniert?
Nicht mehr so gut, glaube ich. Die Menschen lernen ja dazu. Beispielsweise, dass es die immer wieder beschworenen Zuwanderungs- wellen so gar nicht gibt. Wir haben hier in Niedersachsen eine Wahl auch damit gewonnen, dass wir ganz klar gesagt haben, dass wir die brutalen Abschiebepolitik des damaligen CDU-Innenministers nicht fortsetzen werden. Das heißt: Mit einer weltoffenen und von Mitmenschlichkeit geprägten Politik lassen sich Wahlen gewinnen.
NEWS: Woher speisen sich Ihre Werte?
Ich stamme aus einem katholischen Umfeld in Bayern. Nächstenliebe, Sätze, wie „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“, haben mich sicher geprägt.
NEWS: In Österreich wirbt die FPÖ ebenfalls mit der Nächstenliebe – beschränkt sich aber auf „unsere Österreicher“
Schröder-Köpf (betrachtet das FPÖ-Plakat in der mitgebrachten NEWS-Ausgabe): Das ist ja unglaublich zynisch! Ab wann ist man denn österreichisch, ab wann ist man deutsch, ab wann denn? Kinder so auszugrenzen, die hier geboren sind, zur Schule gehen, Deutsch sprechen, aber einen anderen Pass haben, das ist erschreckend. Hinzu kommt bei uns ein weiteres Argument, eines jenseits der Nächstenliebe: Wir haben sehr niedrige Geburtenraten und brauchen Zuwanderung.
NEWS: In Österreich wählen wir eine Woche nach Deutschland. Haben Sie vom Wahlkampf bei uns etwas mitbekommen?
Ein wenig. Ich habe von dem TV-Duell zwischen Kanzler und Vizekanzler gelesen, in dem sie sich sehr höflich begegnet sein sollen.
NEWS: Zur deutschen Wahl: Was schätzen Sie an Angela Merkel?
Ich äußere mich nicht öffentlich zur Gegenkandidatin von Peer Steinbrück.
NEWS: Gut, dann zu Peer Steinbrück. Der steht in Umfragen bei 23 Prozent, also in etwa beim letzten Wahlergebnis. Kann er überhaupt Kanzler?
Die Demoskopen hatten meinen Mann 2005 auch schon abgeschrieben, dann legte er einen grandiosen Endspurt hin und hat alle Umfragen Lügen gestraft. Also, da ist noch alles drin.
NEWS: Trotzdem: die Krise, die Gier der Banker, die Infragestellung des Turbo-Kapitalismus. Eigentlich müsste doch Erntezeit für die Sozialdemokratie sein?
Ja. Kluge Menschen sprechen ja vom sozialdemokratischen Jahrzehnt oder gar Jahrhundert in unseren Ländern. Selbst die USA erwägen eine Krankenversicherung für alle. In Europa haben die konservativen Parteien viel von uns abgeschaut.
NEWS: Und was tut die Sozialdemokratie dagegen?
Ich bin ja nur einfaches Mitglied. Mein einziges Parteiamt beschränkt sich auf den Posten einer Beisitzerin in meinem Ortsvereinsvor- stand. Aber als einfaches Mitglied würde ich sagen: Es ist gut für die Menschen, wenn unsere Ideen umgesetzt werden. Allerdings, wie beim Atomausstieg: wir wären bei der Umsetzung besser!
NEWS: Aber was Steinbrück schadet ist doch, dass in Deutschland keinerlei Wechselstimmung feststellbar ist. Das Land steht gut da und Kanzlerin Merkel kann das als ihren Verdienst verkaufen.
Deutschland geht es vor allem gut, weil Rot- Grün richtig gehandelt hat, und davon zehrt Frau Merkel bis heute. Deutschland geht es auch gut, weil in Zeiten der Großen Koalition Peer Steinbrück als Finanzminister die Weichen richtig gestellt hat.
NEWS: Und für Sie, Frau Schröder-Köpf, ist hier in Hannover Schluss, oder wo soll Sie Ihre Politkarriere hinführen?
Ich bin hier genau richtig und ich arbeite daran, dass meine Aufgabe als Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe einmal über- flüssig wird. Daran, dass das Zusammenleben verschiedener Kulturen, Religionen und Nationalitäten Normalität wird.
NEWS: Ein Ministerium in Berlin wäre nicht verlockend?
Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: ich bin hier mehr als ausgelastet.
NEWS: Es gibt diese Theorie, wonach es ein Ding der Unmöglichkeit ist, Partnerschaft, Karriere und Kinder erfolgreich hinzukriegen und damit glücklich zu sein. Stimmen Sie zu?
Zumindest nicht alle drei Sachen gleichzeitig. Ich hätte beispielsweise nicht zwei oder drei Mal in der Nacht aufstehen können, um den Kleinen zu versorgen und am nächsten Tag um acht fix und fertig vorbereitet und geschminkt im Frühstücksfernsehen meine Politik zu erklären. Beruf und Kind habe ich hinbekommen. Karriere und Kinder ist schon schwierig.
NEWS: Heißt das, dass Frauen automatisch im Nachteil sind?
Nicht unbedingt, wenn Männer, Väter ihren gerechten Anteil an Haus- und Familienarbeit übernehmen. Eine Landsfrau von Ihnen, Brigitte Ederer, die bei Siemens im Vorstand ist, hat einmal in einem Interview gesagt, dass alles auf einmal – Kinder, Karriere, Partner- schaft – kaum zu schaffen ist. Sie ist ja eine Frau mit großer Personalerfahrung. Solche Aussagen nehmen ein wenig Druck von den Frauen.
NEWS: Halten Sie es generell für richtig, ein Kind schon früh in Betreuung zu geben?
Oft ist es notwendig. Ich sehe das ja auch an meinem eigenen Beispiel: Ich war alleinerziehend und alleinverdienend und musste meine damals elf Monate junge Tochter betreuen lassen. Hätte ich damals die Wahl gehabt, hätte ich gerne mehr Zeit für mein Kind gehabt. Übrigens: Sie ist jetzt 22 und es hat ihr nicht geschadet!
NEWS: Warum machten Sie es trotzdem? Weil sie wollten oder mussten?
Ganz einfach: Weil ich den Lebensunterhalt für uns beide verdienen musste. Ich war nicht mit dem Vater des Kindes verheiratet und hatte für mich und meine Tochter zu sorgen. Es war vollkommen klar: Entweder ich arbeite, oder ich muss irgendwann zum Sozialamt gehen. Vielleicht stand ich aus diesem Grund nicht so sehr unter einem Rechtfertigungsdruck. Bei Kolleginnen, bei Freundinnen, die verheiratet waren und bald wieder in den Job zurück- kehrten, wurde damals noch oft getuschelt. Frauen müssen sich immer verteidigen – egal, wie ihre Entscheidung ausfällt. Ich finde das schrecklich! Jede Frau ist anders, jedes Kind, jede Familie – der Staat hat mit ausreichenden und geeigneten Betreuungseinrichtungen dafür zu sorgen, dass Mütter und Väter überhaupt eine Wahl haben!
NEWS: Wie kann die Politik Frauen denn unterstützen?
Der Arbeits- markt müsste so flexibel gestaltet werden, dass diese intensive mittlere Lebensphase im Alter zwischen 30 und 40 entzerrt wird. Das würde Frauen und Männern helfen!
Erschienen in NEWS 36/2013